Im eigenen Wohnzimmer Geschichte erleben

Lesedauer 2 Minuten

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel ist auch im Print-Heft zu finden. Die Autorin hat die App WDR AR 1933-1945 des Westdeutschen Rundfunks auf dem iPad ausprobiert. Es gibt auch eine App für Android im Google Playstore. Links zum Download unterhalb des Artikels.

Wie immer bei Augmented-Reality-Apps lautet die erste Aufforderung nach dem Laden aus dem App-Store: Bewege die Kamera, um den Boden abzutasten. Ziele im Abstand von zwei Metern auf eine freie Fläche des Fußbodens. Auf den Bildschirm des iPads tippen. Es geht los.

Vor meinen Augen, in meinem Wohnzimmer, materialisiert sich Anne, eine ältere Dame mit grauer Kurzhaarfrisur. Sie sitzt in einem verschlissenen, rötlichen Ledersessel. Um sie herum fliegen rötliche und gelbe Funken, wie man sie von Osterfeuern kennt. „Es war die Hölle“, beginnt sie. „Es war ja nun nachmittags, aber es war stockdunkle Nacht. Und die Hitze.“ Ihre Hände sind in ihrem Schoß gefaltet, sie knetet die Finger unablässig, während sie ruhig weiter redet. „Die heiße Luft war grauenhaft, jeder ist um sein Leben gelaufen.“

Im Hintergrund die Geräusche der Warnsirenen, die damals bei Luftangriffen dazu aufforderten, sich in Sicherheit zu bringen. Hinter Anne erscheinen die grauen Schemen eines Jungens und eines Mädchens, sie halten einander an der Hand. Die Geschwister ducken sich runter, umklammern einander.

Anne redet weiter. Von überbelegten Bunkern und den Zuständen dort. Rauchschwaden wallen durch das Bild. „Wir haben den Kopf in den Schoß der Mutter gelegt, weil wir dachten, es ist jetzt das Ende.“ Schnitt, es geht raus, Blick auf das zerbombte Köln. „Das ist alles wie eingebrannt“. Anne schweigt, sie guckt in die Leere.

„Meine Kindheit endete in dieser Nacht“, sagt Vera aus London. „Da war ein Junge, der umarmte ein Weißbrot“, erzählt Emma aus Leningrad. Ich bin dabei, ich sehe die Situationen. Das ist die Wirkung, die Augmented Reality hervorruft: Durch das Dreidimensionale und die Perspektive werden sofort Gefühle geweckt. Ein Film über den Zweiten Weltkrieg, den ich mir auf irgendeinem Dokumentations-Kanal im Fernsehen oder Kino ansehe, ist immer noch zweidimensional. Ein Film halt. Erzählen da aber auf einmal Frauen, die alle nacheinander in demselben Sessel in meiner Wohnung sitzen – umgeben von Feuer und Sirenen – das geht näher. Ich höre den Zeitzeugen zu, beobachte sie beim Erzählen. Die virtuell nachgestellten Situationen machen die Momente, von denen sie berichten, lebendig.

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(Text: Andrea Brücken)

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